Von 1980 bis heute – Die wahre Klimalüge

Von 1980 bis heute – Die wahre Klimalüge

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Wie seit Jahrzehnten Schäden in Milliardenhöhe ungestraft verursacht werden.

LeserbriefeRaphael Pichler24.04.2020

2011 findet zum zweiten Mal in Interlaken das Swiss Economic Forum, ein Wirtschaftstreffen für CEOs und Manager, aber auch Wissenschaftler und Politiker, statt. Der damalige CEO der Royal Dutch Shell, der Schweizer Peter Voser, wohnt dem Treffen bei. Als ihn die Moderatorin als Chef einer Firma, die im Jahr 7 Milliarden US-Dollar Gewinn erwirtschaftet, vorstellt, räuspert er sich offenbar entrüstet über diese Annahme und dennoch mit Genugtuung, um die Dame zu verbessern: „Das sind die Gewinne des ersten Quartals 2011.“ Schulstreiks, junge Klimaaktivisten füllen die Straßen, zahllose Artikel in Zeitungen und Diskussionen im Fernsehen, plötzlich ein Thema, das nicht nur Wahlen, sondern auch Regierungsabkommen entscheiden kann. Der Klimawandel ist mitten im kollektiven Bewusstsein angekommen. Reichlich spät, so zumindest die weltweit anerkannten Experten. Konkret der 2018 veröffentlichte IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, Weltklimarat) Spezialbericht über globale Erwärmung von 1,5°C und der 2019 publizierte Bericht des UN-Menschenrechtsrates über die Zusammenhänge von Armut und Klimawandel skizzieren eine düstere Zukunft. Mit dem Erreichen einer maximalen globalen Erwärmung von 1.5°C bis 2100 wären immer noch 500 Millionen Menschen von Wasserknappheit betroffen, 36 Millionen von Ernteausfällen und bis zu 4,5 Milliarden könnten Hitzewellen ausgesetzt sein. Im Vergleich mit dem allseits bekannten „Zwei-Grad-Ziel“ könnte man jedoch die Zahl der Menschen, die durch den Klimawandel bedroht werden, um ca. 457 Millionen senken. Zum Beispiel würden durch den geringeren Anstieg des Meeresspiegels 10 Millionen Menschen weniger betroffen sein, sollte man das 1,5°C Ziel erreichen. Es scheint jedoch, als wäre dieser Zug längst abgefahren. Die beiden Berichte nennen es „einen unrealistischen Optimalfall, der nur durch Veränderungen historisch beispiellosen Ausmaßes und gesellschaftlicher Umgestaltung erreicht werden könne.“ Wie kommt es, dass wir so spät dran sind? War die Forschung in den letzten Jahren nicht weit genug? Wussten die Experten selbst nicht um die Dimensionen, die diese Krise annehmen würde? Es scheint auf den ersten Blick so, als hätte niemand genau gewusst, was auf uns zukommt. Schlagwörter wie „Globale Erwärmung“, „Treibhauseffekt“ oder „Klimawandel“ mögen zwar schon seit einiger Zeit in der Gesellschaft zirkulieren, doch wahre Auswirkungen zeigen sich erst jetzt. Dabei haben wir bereits ca. 1°C Erwärmung erreicht. Das geht sprichwörtlich nicht von heute auf morgen. Eine der ersten Studien, die sich mit genau diesen Themen auseinandersetzte, wurde bereits 1982 fertiggestellt. Sie breitet auf 46 Seiten Wissen über den Einfluss, den der Mensch auf das globale Klima nimmt, aus, und stellt Prognosen für die nächsten Jahrzehnte. Der Begriff des anthropologischen Treibhauseffekts, der durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe entsteht, wird klar definiert und zum Hauptgrund eines sich verändernden Klimas erklärt. Auftraggeber für diese Studie war der amerikanische Mineralölkonzern Exxon (heute ExxonMobile), gleichzeitig der fünftgrößte Produzent von Treibhausgas. Die Einleitung dieses Forschungsberichts schließt mit den Worten: „Der Bericht darf im Diskurs mit Außenstehenden über dieses Thema als Basis genutzt werden. Jedoch sollte Einsicht in den Bericht auf Exxon Personal beschränkt bleiben und nicht extern verteilt werden.“ Jetzt, fast 40 Jahre später, ist der Bericht im Internet doch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Anhand dieser wissenschaftlichen Studie als Ausgangspunkt lässt sich eine Erklärung des allgemeinen Desinteresses am fortlaufenden Klimawandel über die letzten Jahrzehnte und auch des Phänomens der Klimaleugner zusammensetzen.

Foto: Nathan Forbes/Unsplash

Der Industrie, die hinter fossilen Brennstoffen steht, im speziellen natürlich Exxon, war somit klar, dass das Aufkommen von Aufmerksamkeit auf den anthropologischen Klimawandel in der Bevölkerung zu schweren monetären Schäden und letztendlich sogar zu einem gänzlichen Stillstand ihres wirtschaftlichen Wachstums führen könnte, sollte sich die Gesellschaft dafür entscheiden, nur noch erneuerbare Energien zu nutzen. Man startete, um dem entgegenzuwirken, eine riesig angelegte Desinformationskampagne. Diskussionsthema war das Klima in den 1980ern schon einmal, Bush Seniors „Climate Speech“, in der er sich im Wahlkampf 1988 für Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen stark machte, sei als Beispiel genannt. (Nach gewonnener Wahl schlug Busch jedoch einen exakt gegenteiligen Kurs ein.) Exxon unternahm als Reaktion Anstrengungen, den wissenschaftlichen Konsens aus dem gesellschaftlichen Gesichtsfeld zu drängen und an seine Stelle Unsicherheiten über die Aussagekraft gesammelter Daten sowie begründeter Theorien zu platzieren. Der Mineralölkonzern stellte dazu Massen an Geld bereit, denn man war bemüht, die eigene, objektiv falsche Propaganda (wider besseres Wissen) wie empirisch geprüfte und wissenschaftlich anerkannte Fakten aussehen zu lassen. Das Arsenal der Methoden, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, war hierbei breit gefächert. Es beginnt mit als Artikel getarnten Inseraten in anerkannten Zeitungen, die auf eher subtile Weise falsche Fakten verbreiteten. So beispielsweise in der von Exxon im Jahre 2000 veröffentlichten Werbeanzeige in der New York Times „Unsettled Science“. „Der Bericht des Nationalen Forschungsrates bestätigt, dass die Oberflächentemperatur der Erde in den letzten 150 Jahren um 1° Fahrenheit gestiegen ist. Manche benutzen das, um zu behaupten, dass der Mensch dafür verantwortlich ist. (…) Wissenschaftler können diese Theorie nicht bestätigen.“ Das wurde in genanntem Inserat behauptet, obwohl die Exxon Studie von 1982 bereits das Gegenteil bewiesen hatte. Die Perfidie, mit welcher Falschinformation verbreitet wurde, erreichte ihren Höhepunkt in einer Rede des Exxon CEOs Lee Raymond von 1997, in der er offiziell verkündete, dass es auf der Erde nicht wärmer, sondern kälter werde. 15 Jahre nachdem seine eigene Studie das Gegenteil bewiesen hatte. Durch diese Desinformationskampagne und durch gezielten politischen Druck der fossilen Brennstoffindustrie wurde genau das erreicht, den Klimawandel wieder aus dem Bewusstsein der Menschen zu drängen, zwar nicht für immer, dennoch für einige Jahrzehnte. Den Menschen hinter dieser Maschinerie war zu jeder Zeit gänzlich bewusst, welche Auswirkungen ihr Handeln haben würde. Sie wussten, dass Millionen von Menschen Hungersnöte erleiden werden, sie wussten, dass Millionen von Menschen in Armut gestoßen werden, sie wussten, dass Millionen von Menschen ihr Zuhause verlieren und in die Fluchtmigration getrieben werden, sie wussten, dass Millionen von Menschen sterben werden. Doch sie wussten auch, dass dadurch Milliardensummen erwirtschaftet werden und sie selbst nie Auswirkungen der Tragödie fühlen müssen. Konzerne, die im Quartal 7 Milliarden US-Dollar Gewinn mit fossilen Brennstoffen erwirtschaften, haben kein Interesse daran, die monetär Schwachen der Welt zu beschützen und erst recht nicht ihr eigenes Geschäft zu schädigen. ExxonMobile wurde wegen dieses jahrzehntelangen Betrugs beim New Yorker Höchstgericht mit dem Vorwurf, man hätte Investoren hinters Licht geführt, angeklagt. ExxonMobile wurde 2019 freigesprochen, weil nur die Öffentlichkeit belogen worden war, nicht jedoch die Investoren. 

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